Solidarität mit Daniela Info Nr. 5/ 23. Mai 2024

„Die Solidarität lässt für sie, so sagt Daniela, die Sonne aufgehen“

Hallo,

in diesen Tagen ist die neue Zeitung der Roten Hilfe, 2.2024, erschienen. Drei Artikel aus dieser Ausgabe verbreiten wir hier. Viele Grüße von der Gruppe: Solidarität mit Daniela

Kontakt: solidarisch-mit-daniela [ät] t-online.de

Rote Hilfe Zeitung, Nr. 2.2024:

Haftsituation und Solidarität

Zur Festnahme von Daniela Klette

Von Lukas Theune

Am 26. Februar 2024 wurde Daniela Klette in Berlin-Kreuzberg festgenommen und am 27. Februar dem Ermittlungsrichter in Verden (Aller) vorgeführt. Ihr wurden dort sechs Haftbefehle wegen des Vorwurfs zum Teil versuchter schwerer Raubüberfälle verkündet.
Daniela wurde von Berlin mit dem Hubschrauber an Händen und Füßen gefesselt nach Diepholz geflogen. Dort wurden ihr zusätzlich die Augen verbunden und sie wurde nach Verden gefahren. Vor Ort sagte ihr die ermittelnde Staatsanwältin, sie solle nun besser kooperieren und die Fahndung nach Burkhard Garweg und Ernst Volker Staub unterstützen, wenn auch sie ein „zweites Bad Kleinen“ verhindern wolle. Dabei war die Festnahme von Daniela ohne jede Konfrontation verlaufen.

Die darauffolgende mehrfache Veröffentlichung von angeblich in der Wohnung gefundenen höchst gefährlichen Gegenständen und die Evakuierung des ganzen Wohnhauses hatten zum Ziel, dass die unmittelbar danach einsetzende Fahndung nach zwei weiteren Genossen in militärisch hochgepushter Weise durchgeführt werden konnte und noch immer wird. Dabei war zu dem Zeitpunkt längst klar, dass es sich zum Beispiel bei der gefundenen Panzerfaust um eine reine Attrappe handelte. An dieser Stelle fordert Daniela nochmal ausdrücklich, die hetzerische Fahndung gegen Volker und Burkhard zu stoppen!

Am 7. März 2024 wurde Daniela dann auch der Ermittlungsrichterin beim Bundesgerichtshof vorgeführt. Dort wurde ihr ein Haftbefehl aus dem Jahr 2018 verkündet, wonach sie verdächtigt wird, als Angehörige der RAF an drei Aktionen in den neunziger Jahren beteiligt gewesen zu sein.

• Ein versuchter Sprengstoffanschlag auf die Deutsche Bank in Eschborn
• Ein bewaffneter Angriff auf die US Botschaft in Bonn Bad Godesberg
• Die Sprengung der im Bau befindlichen JVA Weiterstadt

Beide Verfahren wurden bislang nicht miteinander verbunden, sondern es wurde „Überhaft“ notiert. Das bedeutet, dass weiter in beiden Verfahren ermittelt wird. Vorrang hat wohl die Staatsanwaltschaft Verden, die ja auch für die Festnahme verantwortlich ist. In diesem Verfahren rechnen wir mit einer Anklage beim Landgericht Verden im Sommer. Wann diese Verhandlung dann anfangen wird, ist
noch nicht absehbar. Die Bundesanwaltschaft gibt sich schmallippig und der Verteidigung keine Auskunft über den aktuellen Stand ihrer Planung. Im Spiegel hieß es, es sei mit einer Anklage aus Karlsruhe zum Jahresende zu rechnen. Ob das stimmt oder nicht wissen wir nicht.

Nach einem zunächst sehr drastischen Haftregime in der JVA Vechta zu Beginn bessern sich die Bedingungen nun nach und nach. So wurde mittlerweile die Videoüberwachung in ihrer Zelle beendet und sie durfte in einen anderen Haftraum „umziehen“, in dem ihr jetzt immerhin keine Metallplatte vor dem Fenster das Tageslicht mehr nimmt. Sehr umständlich ist es leider immer noch, ihr Bücher zu besorgen – entgegen aller Gepflogenheiten dürfen Bücher nicht einmal vom Buchhandel geschickt werden, sondern müssen nach richterlicher Genehmigung durch die JVA selbst beim lokalen Buchhandel unter Inanspruchnahme ihres Haftkontos erworben werden; auch Zeitungen erhält sie selten am Tag selbst, Briefe haben eine Postlaufzeit von einem Monat, weil eine doppelte Inhaltskontrolle in Verden und in Karlsruhe stattfindet. Wundert euch also nicht, wenn ihr lange auf eine Antwort warten müsst. Besuche werden vom Bundeskriminalamt und der Anstalt überwacht.

Dennoch geht es Daniela den Umständen entsprechend gut. Sie freut sich wirklich sehr über die Solidarität mit ihr, die ihr viel bedeutet, über Briefe, Kundgebungen, Zeitungsartikel. Die Kundgebung am 14. April konnte sie jetzt sogar teilweise akustisch wahrnehmen, jedenfalls eine Parole hören und Musik. Die Rote Hilfe e.V. hat für Daniela jetzt auch ein Spendenkonto eingerichtet, um die Verteidigung und die Versorgung mit Sachen wie Lesematerial, Kleidung etc. zu finanzieren.

Daniela hat auch die Nachricht gelesen, dass der von so vielen unterschiedlichen Menschen organisierte Palästina-Kongress aufgelöst wurde, und es hat sie sehr bewegt und gefreut, dass es eine große Demonstration dagegen und in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung gegeben hat.

Sie sagt: „Ich wünsche allen, die sich gegen den brutalen und von Deutschland unterstützten Krieg Israels in Gaza einsetzen oder sonst draußen für eine bessere Welt kämpfen, viel Kraft und Glück! Für eine Welt, in der die Menschen in Freiheit, ohne Ausbeutung, ohne Konkurrenz gegeneinander, mit dem Sinn füreinander und in Einklang mit der Natur leben können.“

Spendenkonto für Daniela:
Rote Hilfe e.V.
GLS-Bank
Konto-Nr.: 4007 238 317
BLZ: 430 609 67
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: Daniela

 

Betriebsrepression in Bremen

Wenn die Anmeldung einer Kundgebung zum Jobverlust führt

Es waren knapp 50 Menschen, die am 17. März vor der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ riefen. Die Polizei konstatierte einen friedlichen Verlauf. Trotzdem hatte die kleine Manifestation für die Anmelderin erhebliche Konsequenzen. Denn in der JVA Vechta ist das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette inhaftiert. Der langjährigen Krankenschwester und aktiven Gewerkschafterin Ariane Müller wurde schon vor der Kundgebung ihr Status als freigestellte Betriebsrätin beim Betriebsrat Bremen-Mitte entzogen. Dabei übten sich die übrigen Betriebsratsmitglieder, darunter neben dem Marburger Bund auch ver.di-Mitglieder, in vorauseilendem Gehorsam.

Verbot das Klinikgelände zu betreten
Diese unsolidarische Haltung war die Voraussetzung für den nächsten Sanktionsschritt gegen Ariane Müller. Sie wurde nun auch vom Arbeitgeber Gesundheit Nord bis auf Weiteres freigestellt – mit Zustimmung durch den Betriebsratsvorsitzenden. Müller wurde auch verboten, außerhalb ihrer Betriebsrats- arbeit das Klinikgelände zu betreten oder zu Kolleg*innen Kontakt aufzunehmen. Dabei geht es nicht etwa um bestimmte Äußerungen von Müller oder von Teilnehmer*innen auf der Kundgebung vom 17. März. Zu den Redner*innen gehörte auch die Anarchistin Hanna Poddig, die wegen der Blockade von Militär- transporten für kurze Zeit in der JVA Vechta inhaftiert war. Sie wolle mit der Teilnahme an der Kundgebung vor allem den Gefangenen Grüße von draußen vermitteln. Zudem wies sie auf den Niedriglohnsektor Gefängnis hin. „Arbeit im Gefängnis ist eine besondere Form von Ausbeutung“, betont Poddig. Sie knüpfte damit an die Forderungen der Gefangenengewerkschaft an, die Bezahlung nach Tarif für Lohnarbeit im Gefängnis und die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die Kranken und Rentenversicherung fordert .

Sanktion verstößt gegen Arbeitsrecht
Die Sanktionierung der Anmelderin wurde in einem Großteil der Medien nicht kritisch hinterfragt. Im Gegenteil, sie lieferten die Grundlage, indem sie von einer Solidaritätsaktion für die RAF schrieben,obwohl es die seit 26 Jahren nicht mehr gibt. Über die realen Inhalte, einen Protest gegen das Gefängnissystem, schrieb kaum jemand. Der bekannte Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann zweifelt die gesetzliche Grundlage der Maßnahme an. „Allein die Tatsache, dass jemand eine Kundgebung anmeldet, ist kein Grund, in irgendeiner Weise arbeitsrechtliche Sanktionen auszusprechen, weil das Beschäftigungsverhältnis eben ein strukturelles Machtverhältnis ist“, sagte Hopmann gegenüber junge Welt. Es sei erkennbar,dass die Krankenhausleitung nicht wolle, dass Müller mit den Beschäftigten spricht. Häufig würden diese Maßnahmen mit der Begründung eingesetzt, dass es keine Unruhe im Betrieb geben solle. Aber diese Unruhe habe die Leitung mit ihren Disziplinierungsmaßnahmen selbst geschaffen, so Hopmann. Auch der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler stufte gegenüber der taz die Sanktion von Müller als Benachteiligung wegen einer völlig legalen politischen Handlung ein.

Solidaritätserklärung von Gewerkschafter*innen
Solidarische Gewerkschafter*innen fordern in Protestbriefen an die Klinikleitung die Rücknahme der Sanktionen. Dort heißt es unter anderem: „Wir kennen Frau Müller als kämpferische Gewerkschafterin und Betriebsrätin, als Aktivistin für mehr Krankenhauspersonal (sie hatte das Bremer Volksbegehren für mehr Personal in Krankenhäusern maßgeblich mit angestoßen) und als Bremer Frau des Jahres 2021. Die Vermutung drängt sich auf, dass Frau Müller – und stellvertretend alle anderen Kolleg*innen, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen – mit der Disziplinierung eingeschüchtert werden sollen. Wir solidarisieren uns mit Ariane Müller und fordern Sie unmissverständlich auf, die Maßnahmen gegen sie zu rückzunehmen.“

Der vollständige Text des Protestbriefs und die Emailadressen, an die er geschickt werden kann, findet sich bei LabourNet Germany „Betriebsrätin am Klinikum Bremen Mitte organisiert privat Demo für Daniela Klette“ vom 21. März 2024. (1)

(1)
https://www.labournet.de/interventionen/solidaritaet/betriebsraetin-am-klinikum-bremen-mitte-organisiert-privatdemo-fuer-daniela-klette-betriebsrat-
entzieht-die-freistellung-und-klinikbetreiber-geno-erwaegt-arbeitsrechtliche-konsequenzen/

 

Interview Betriebsrat Bremen

RHZ Redaktionskollektiv

Am 17. März 2024 fand vor der JVA für Frauen im niedersächsischen Vechta eine Kundgebung statt. In dieser JVA, so hieß es, sei Daniele Klette inhaftiert – die Soli-Kundgebung galt ihr im Besonderen und auch allen anderen inhaftierten Frauen.
„„
Die Rote-Hilfe-Zeitung war mit einem Redakteur vertreten. Der Presse-Wirbel im Vorfeld ließ uns aufhorchen, und so machte sich ein reisefreudiger Redakteur auf den Weg in die niedersächsische Pampa. Nach einem kleinen Umweg über die Gegenkundgebung der CDU stieß er auf die durch die Bremer Betriebsrätin Ariane Müller angemeldete Veranstaltung. Der doch recht übersichtliche Sympathisant*innensumpf, der sich dort aufgetan hatte, wurde deutlich verstärkt durch reichlich anwesende Pressevertreter*innen und schaulustige Bürger*innen.
Natürlich fachsimpelt mensch mit seinesgleichen, und so entwickelte sich ein doch recht interessantes Gespräch zwischen unserem Redakteur und einem anwesenden Genossen – der wie Ariane Müller Betriebsrat in einem stadtbremischen Unternehmen ist. Dieser hatte den sich im Vorfeld um diese Kundgebung und das Engagement der Kollegin Müller entwickelnden Rummel aufmerksam verfolgt und sich dann ebenfalls auf die Reise nach Vechta gemacht. Über seine Beweggründe sprach er bei einem anschließenden Kaffeekränzchen mit der RHZ.

RHZ: Genosse, erstmal vielen herzlichen Dank, dass du im Anschluss an die Kundgebung jetzt noch kurz für ein Interview für die Rote-Hilfe-Zeitung zur Verfügung stehst… magst du zum Einstieg kurz erzählen, was dich bewegt hat hierher anzureisen? Du kommst aus Bremen, nicht?

G: Ja, das ist richtig. Ich hatte in der jungen Welt das Interview mit Ariane gelesen und auch wenn ich in meiner politischen Arbeit im Laufe der Jahre aus verschiedensten Gründen nur seltenst Berührungspunkte mit Ariane hatte, kenne ich sie und fand die Idee, am 17. März eine Kundgebung vor der JVA zu machen, erstmal direkt sympathisch. Als der Weser-Kurier Ariane Müller in den darauffolgen den Tagen dann als Betriebsrätin der Geno („Gesundheit Nord“, Anmerkung d. Red.) … das ist die stadtbremische Trägergesellschaft diverser Krankenhäuser, geoutet hatte und die Presse im Rest des Landes auch langsam wach wurde … „Solidaritätskundgebung für RAF-Terroristin“ und so … habe ich das aufmerksam verfolgt. Als der Betriebsrat der Geno dann Ariane ihre Freistellung als Betriebsrätin entzog und auch die Geschäftsführung sich zunehmend empört über Ariane Müllers Engagement zeigte war klar, dass sich was zusammenbraut. Eigentlich bin ich eher aus Solidarität mit Ariane Müller nach Vechta gefahren! Eigentlich wollte ich ihr vor Ort die Hand schütteln und ihr auch als Betriebsrat viel Kraft wünschen … dazu ist es leider nicht gekommen, weil Ariane natürlich von der Presse bestürmt wurde und allerhand zu tun hatte. Ich denke, es gibt in den nächsten Tagen noch genug Gelegenheit, ihr den Rücken zu stärken.

RHZ: Es ist eine etwas kurios anmutende Geschichte, weil sich das alles vor dem Hintergrund von Betriebsratsarbeit abspielt …

G: Ja, das ist wahr. Betriebsratsarbeit ist für die radikaleren Fraktionen der Gesamtlinken eigentlich eher ein Randthema, sag‘ ich mal. Obwohl durch die Auseinandersetzungen rund um das sogenannte „Zentrum Automobil“ im Stuttgarter Raum die Bemühungen faschistischer Kreise, auf Betriebsebene Einfluss zu bekommen, zu Recht mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. Natürlich sind in Betrieben auf die ein oder andere Weise auch Genoss*innen aktiv … mit Aufklebern und so und als Gewerkschafter*innen … und manche machen privat eben auch Gefangenenarbeit. Da kann es schon mal passieren, dass zum 18. März eine Demo angemeldet wird, warum auch nicht? Vor dem Hintergrund der Verhaftung von Daniele Klette ist das natürlich etwas spannender als sonst … und natürlich springt die Presse drauf an.

RHZ: Du hast im Vorgespräch erzählt, dass du auch Rote Hilfe Mitglied bist …

G: Seit 1996, ja. Ich bin mit Ende 20 eingetreten.

RHZ: Dann hast du einen Erfahrungshorizont und einen Blick auf das ganze Geschehen, der mich interessiert,
bitte …

G: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass das Thema Rote Armee Fraktion nochmal in die Tagespolitik zurückkehrt

RHZ: … erzähl‘ mal!

G: Als ich jung war, hat zum Beispiel die tageszeitung die kompletten Kommandoerklärungen der RAF immer auf ganzen Seiten abgedruckt … oder auch auf zweien. Ganze Seiten! Die komplette Erklärung … zum Angriff auf US-General Kroesen oder was weiß ich. Gab‘ ja ein paar mehr hahaha … äh … das war natürlich spannend, weil es der O-Ton war zu dem, was in allen anderen Medien
mit einer gewissen … propagandistischen Voreingenommenheit, sag‘ ich mal … dargestellt wurde. Ist ja klar! Aber es ergab auf jeden Fall niedrigschwellig die Gelegenheit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was die Rote Armee Fraktion da zur Praxis machte. Das wurde von mir zwar etwas pubertär betrachtet, in meinem Alter damals… spätpubertär … aber es hat mir etwas mitgegeben für eine Art der Betrachtung der Welt. Heute diskutieren ja Leute mit, die die Rote Armee Fraktion nicht von den Revolutionären Zellen unterscheiden können. Als wäre es nicht schon verworren genug hahaha.

RHZ: Glaubt man den gängigen Tageszeitungen und Nachrichtensendungen, haben in Vechta unverbesserliche RAF-Jünger ihrer Heldin gehuldigt.

G: Ja, aber das ist kompletter Quatsch! Aber natürlich gibt es unterschiedliche Wege, als Linke mit der aktuellen Situation umzugehen … ich persönlich würde von Distanzlosigkeit abraten. Die Linke ist grade im Zusammenhang mit der RAF allerdings immer gut beraten gewesen, bei allen Diskussionen und aller Kritik, die es zurecht gab, die Gefangenen aus der RAF – die Gefangenen aus allen Teilen der Linken – entschlossen gegen Grundrechtseinschränkungen, gegen quälende Haftbedingungen und Suspendierungen ihrer Rechte und damit zusammenhängende Sondergesetzgebungen zu verteidigen! Und natürlich müssen wir auch Genoss*in nen, die im Zusammenhang mit diesen Abwehrkämpfen Repression erfahren – und hier schließt sich der Kreis – zur Seite stehen. Da ist die Dynamik, mit der sie jetzt auf eine Betriebsrätin losgehen, die sich privat für Gefangenensolidarität einsetzt, schon bemerkenswert. Aber es gibt auch immer etwas zu gewinnen.

RHZ: Wo kommt wohl diese Aufgeregtheit her?

G: Tja … ich denke, bestimmte Leute leben halt immer noch in der Vergangenheit. Sie reagieren heute auf eine Situation in einer Art und Weise, die sich Leute, die das Thema RAF nicht gegenwärtig haben, kaum erklären können. Und das hat dann verschiedene Facetten … Interessanterweise hat die Gegenkundgebung der örtlichen CDU auch nur 100 Menschen auf die Beine gebracht! Ich hätte gedacht, dass sich im Oldenburger Münsterland bei diesem Thema deutlich mehr rechte Basis würde mobilisieren lassen … die politische Niederlage an diesem Tag hat meines Erachtens nicht die strömungsübergreifende Solidarität eingefahren, sondern der örtliche Konservativismus, der es trotz einer solchen Steilvorlage nicht geschafft hat, mehr Menschen zu mobilisieren … das muss man sehen – das ist als Wasser- standsmeldung nicht uninteressant! Die stehen da, mit ihrem Schildchen … in Trauer um den ehemaligen SS-Unterscharführer und ehemaligen Wirtschaftsführer im Nazibesetzten Tschechien Hanns-Martin Schleyer … und haben sicherlich noch nicht mal den kleinen Finger gerührt für die Abertausenden, denen im Mittelmeer jede Hilfe verweigert wird und die schlicht dem Tode überlassen werden. Und diese Geisteshaltung erklärt eben auch das Desinteresse an knapp 300 durch Rassisten und Nazis ermordete Menschen seit Ende der DDR oder an den Skandalen, die sich im NSU-Komplex ja zu Dutzenden gezeigt haben, die sich aneinandergereiht haben muss man ja sagen … das in diesen Bürgern sitzt wie der Regen in der Wolke. Diese Leute könnten sich wohl auch mit einer Reinhard-Heydrich-Halle arrangieren, hätte der den Krieg überlebt und wäre dann irgendwann Opfer der Stadtguerilla geworden … oder mit einem Ernst-Kaltenbrunner-Stadion. Es ist ihnen eben kein Faschist Verbrecher genug um nicht doch geehrt zu werden, wenn er nur bewaffneten Linken zum Opfer fällt.

RHZ: Redest du dich grade in Rage?

G: Ja? Hm … Diese Mobilisierung gegen Betriebsräte, die Knastkundgebungen organisieren, kann auch verpuffen! Wenn wir dann zusätzlich unsere eigenen Mittel und Möglichkeiten gekonnt ausreizen … ist das, was da zum Thema noch kommen kann, alles andere als ein Selbstläufer für die Herrschenden! 100 Jahre Rote Hilfe sind ja auch eine gewisse Verpflichtung, finde ich. Warum ist es für so viele Genoss*innen schwierig, sich eine Rote Hilfe mit 75.000 Mitgliedern vorzustellen? Ende 2024 müssen wir über 20.000 sein … warum auch nicht? Lacht. Singt: „Genossen im Graben, singt alle mit! Lasst Schweigen die anderen Lieder …

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